Mehr als jeder fünfte Wohneigentümer (22%) in Deutschland plant, seine eigenen vier Wände innerhalb der nächsten fünf Jahre energetisch zu sanieren. Weitere 62 Prozent zeigen zumindest Interesse daran. Ein Milliardenmarkt, unterstützt durch das aktuelle Klimapaket der Bundesregierung und die Ausweitung der Mittel der Förderbanken. Trotz attraktiver Investitionsanreize wird die klimafreundliche Modernisierung privater Wohnimmobilien in der Breite aber nur gelingen, wenn Hausbesitzer und Wohnungseigentümer besser informiert und beraten werden. Ohne Beratung erfolgt keine Investition. Eine Schlüsselrolle kommt hier (auch) den Energieversorgern mit ihren regelmäßigen Kundenkontakten zu. In der Praxis zeigt sich allerdings: Viele Stadtwerke und private Stromversorger beraten ihre Kunden bisher nur unzureichend und wirken eher als Hemmschuh denn als Treiber der energetischen Sanierung. Wichtige wirtschaftliche und klimapolitische Potenziale werden so verschenkt.
Dies sind Ergebnisse aus dem aktuellen “Kundenmonitor Energiemarkt 2020” des Forschungs- und Beratungsinstituts Sirius Campus aus Köln. In der ausführlichen Marktuntersuchung wurden im Frühjahr 2020 rund 2.000 Wohneigentümer, Vermieter und Mieter repräsentativ zum Energiesparen und zur energetischen Sanierung befragt. Zudem wurde die Qualität der Informationsangebote und der Beratung von 165 kommunalen und privaten Energieversorgern zur umweltschonenden Energieversorgung getestet.
Welche Energieversorger energetisch am besten beraten – und welche nicht…
Grundsätzlich genießen die Energieversorger (allen voran regionale Anbieter) aufgrund ihrer großen Kundennähe und produktspezifischen Qualifikation ein hohes Kundenvertrauen – auch speziell zum Thema energetische Wohngebäude-Sanierung. Umso enttäuschender fallen Testergebnisse zur Qualität der umweltschonenden Energieberatung aus: Von 165 getesteten Energieversorgern erzielen lediglich sieben (4%) die Gesamtnote “sehr gut”. 70 Prozent der untersuchten Versorger schneiden hingegen nur mäßig oder schlecht ab: 44 mit “mangelhaft”, 40 mit “ausreichend” und 31 mit “befriedigend”. “Sehr gute” Beratungsqualität zu Fragen der umweltschonenden Energieversorgung und energetischen Sanierung bieten demnach – sowohl in puncto Informationsangebote im Internet als auch in der telefonischen Beratung – lediglich folgende Anbieter (alphabetische Reihenfolge): Belkaw Bergisch Gladbach, BS Energy Braunschweig, Energieversorgung Halle, Stadtwerke Bonn, Stadtwerke Herne, Stadtwerke Radevormwald und Stawag Aachen. Große überregionale Energiekonzerne wie EON, EWE oder Vattenfall erreichen immerhin die Gesamtnote “gut”.
Zugleich zeigt sich im Ganzen: Die Beratung der Energieversorger zur energetischen Sanierung bleibt in den meisten Fällen bisher ohne nennenswerte Wirkung auf die Investitionsentscheidungen der Verbraucher. “Die Energieversorger könnten in der Klimawende eine weitaus größere Rolle spielen als bisher”, sagt Dr. Oliver Gaedeke, Geschäftsführer beim Beratungsinstitut Sirius Campus. “Öko-Tarife werden zwar massiv beworben, auf der Strecke bleiben bei vielen Versorgern aber Beratungsangebote zur energetischen Sanierung. Das ist sehr enttäuschend, wenn man bedenkt, wie eng diese Unternehmen oft mit ihren Städten und Gemeinden verbunden sind.”
Hoher Beratungsbedarf als Nadelöhr: Ohne Beratung keine Investition
Fast alle modernisierungswilligen Wohneigentümer (92%) beschreiben sich selbst als “Beratungskunden”. Das heißt: Sie würden sich nur nach einer ausführlichen Beratung für eine energetische Sanierung ihrer Immobilie entscheiden. Aus gutem Grund: Das Wissen der Verbraucher um verschiedene staatliche Förderungen ist meist ebenso gering wie die Kenntnis unterschiedlicher Sanierungskonzepte (am bekanntesten sind noch Dämmungs-Maßnahmen, deutlich weniger hingegen energieeffiziente Heizungsanlagen, regenerative Warmwasseraufbereitungen etc.). Beides wirkt sich hinderlich auf eine höhere Investitionsrate in energetische Sanierungen aus. “Modernisierungswillige” müssen also künftig stärker als bisher an die Hand genommen werden. Interessierte Hausbesitzer und Wohnungseigentümer wünschen dabei vor allem ganzheitliche Beratungsansätze von der Planung bis zum Förderantrag. Drei Viertel der Wohneigentümer vertrauen Energieversorgern (74%) und Geräteherstellern (76%) sogar bei schlüsselfertigen “Rund-um-sorglos-Angeboten”, inklusive langjährigen Wartungsservices.
In einer Entscheidungsprozessanalyse (Customer Journey) zeigt sich zudem, dass es weniger finanzielle Anreize (Steuerersparnisse, Fördermittel, längerfristig geringere Energiekosten) als vielmehr der Wunsch nach Energiesparen, und teils auch die Steigerung des Wohnkomforts wie auch des Immobilienwerts sind, die eine Investitionsentscheidung fördern. Am häufigsten investiert wurde in den letzten fünf Jahren in puncto energetische Sanierung in Hausdämmungen (10% der Wohneigentümer) und neue effiziente Heizungsanlagen (9%). Deutlich seltener wurde in die Nutzung der Sonnenenergie für die Warmwasseraufbereitung (2%) und für die Stromgewinnung (4%) investiert.
Energieversorger verschenken wirtschaftliches und klimapolitisches Potenzial
In der gegenwärtigen Umsetzungspraxis energetischer Modernisierungen spielen die Energieversorger bisher nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich jeder siebte interessierte Wohneigentümer (14%) wählt bisher seinen (regionalen) Versorger als entsprechenden Informations- und Beratungsort. Zugleich bleibt die – aus Kundensicht oft noch unzureichende – Beratung meist ohne positive Wirkung auf die Investitionsentscheidungen der Eigentümer (Investitionsquote) bzw. reduziert diese teils sogar. Zum Vergleich: Die Informationen und Beratungen durch Fachpersonal aus dem Baugewerbe (Handwerker, Architekten, Bauunternehmen etc.) steigern die Investitionsentscheidung der Interessenten energetischer Sanierungen um rund 40 Prozent. Aktuell sind diese im Markt damit die am stärksten treibende und wirksame Kraft – mit Blick auf den Gesamtmarkt allerdings nur mit sehr begrenzter Reichweite.
Auch die Beratung von unabhängigen Energieberatern und der Finanzierungsberatung durch die KfW und anderer staatlichen Einrichtungen ist wirksam und kann die Entscheidungsquote um etwa 20 Prozent steigern. Ferner können auch die Hersteller (Heizungsanlagen, regenerative Wasseraufbereitungssysteme etc.) – und allen voran die kundenseitig am meisten präferierten Anbieter Buderus, Viessmann und Vaillant – durch eine technische Beratung die Investitionsentscheidungen zumindest etwas fördern. Insgesamt nutzen jedoch nur etwa 10 bis 15 Prozent der Wohneigentümer diese Beratungsvarianten im Laufe ihres Entscheidungsprozesses. Damit der energetische Umbau in breiterer und zügigerer Form gelingt, ist daher ein stärkeres Engagement von Energieversorgern und den Herstellern energieeffizienter Systeme erforderlich und wünschenswert. “Energieversorger und Hersteller können in diesem beratungsaffinen Markt ihr Leistungsangebot um Planungsberatung, Finanzierungsvermittlung und kontinuierliche Wartungsservices erweitern” sagt Dr. Oliver Gaedeke. “Im Kontext der Klimawende stärken sie damit auch ihre Markenpositionierung und die langfristige Kundenbindung.”
In der Vergangenheit investierten Hausbesitzer und Wohnungseigentümer jährlich durchschnittlich 14.150 Euro in energetische Sanierungen. Ein Markt von bisher immerhin 9 Mrd. Euro jährlich, und mit zusätzlichen Steigerungspotenzialen von 580.000 Haushalten und insgesamt rund 1,6 Mrd. Euro. Es lohnt sich für die Energieversorger und Hersteller also, die modernisierungswilligen Verbraucher regelmäßig mit Informationen zu den Möglichkeiten energetischer Sanierung zu versorgen und proaktiv in der Umsetzung zu beraten.
Fazit
Damit energetischen Modernisierungen im privaten Bereich noch stärker auf den Weg gebracht werden, bedarf es nicht nur steuerlicher und finanzieller Anreize, sondern vor allem bessere und integrierte Beratung. Energieversorger und Geräte-Hersteller sollten hier zukünftig eine deutlich offensivere Rolle bei Wohneigentümern und auch Mietern einnehmen, und das wirtschaftliche und klimapolitische Potenzial der energetischen Sanierung insgesamt besser nutzen.
Quelle: Sirius Campus GmbH (sw)